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"Classics in a digital world". Was ändert sich?

"Altertumswissenschaften in einer digitalen Welt" bedeutet, dass im Zuge des medialen Zeitalters grundsätzliche Methoden auf allen Ebenen der Altertumswissenschaften in den Prozess einer tiefen Umwandlung geraten. Im Zuge dieses Paradigmenwechsels ist es unumgänglich, genau zu bestimmen, was sich ändert und welche Entwicklungen sich ergeben.
 
  • Zum einen ändert sich das Medium unserer Werkzeuge, mit dem wir unsere Forschungsgegenstände wahrnehmen und untersuchen. Die Texte erscheinen in digitalen Editionen, die nicht-textlichen Materialien in Datenbanken. Eine solche Veränderung bringt methodologische und epistemische Konsequenzen mit sich.
  • Ferner verändern sich die Fragestellungen, mit denen wir an unsere antiken Quellen herangehen. Annotationen auf verschiedenen Ebenen (linguistische, textkritische, semantische, historische, prosopographische Annotation etc.), die Verknüpfung dieser Annotationsebenen und die Herstellung semantischer Netzwerken über "linked data" stellen die Möglichkeit zur Verfügung, genaue und reproduzierbare quantitative Daten zu bekommen, die vorher nicht generierbar waren, und Daten aus verschiedenen Medien miteinander zu kombinieren. Diese Möglichkeiten bringen es mit sich, dass neue Fragen an die antiken Quellen gestellt werden können, die man – z.B. aufgrund pragmatischer Beschränkungen – zuvor nie hätte stellen oder gar beantworten können.
    Es versteht sich von selbst, dass im Zuge dieses Umbruchs die Wissenschaft genau beobachten und sich darüber Rechenschaft ablegen muss, wie die Anwendung von digitalen Editionen und Suchprogrammen unsere Fragestellungen beeinflussen und verändern. Welche Verluste bringen die Gewinne, die sich durch die computergestützte Recherche ergeben, mit sich? Wie könnte man unvermeidbare Defizite kompensieren?
  • Festzustellen ist, dass sich die Wahrnehmung hinsichtlich der Grenzen zwischen den einzelnen Disziplinen verändert. Die fachbereichsorientierten Einteilungen im universitären Lehr- und Forschungsbereich (Klass.Philologie/Theologie/Alte Geschichte) verschwimmen bereits im akademischen Alltag immer mehr. Dieser Prozess wird durch die Herstellung digitaler Corpora, die das interdisziplinäre Vorgehen als eine Grundlage der täglichen Praxis brauchen, noch verstärkt werden. „Digital Humanities“ ist dabei als eine Art Raum aufzufassen, in dem sich unterschiedliche Disziplinen treffen und ihre gemeinsamen Forschungsmaterialien und -werkzeuge so vorbereiten und herstellen, dass sie den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen ihnen weiter fördern.
  • Darüber hinaus ändern sich die Lesemodi. Katherine Hayles erkennt, dass sich drei unterschiedliche Lesemodi entwickeln: "close reading", "hyper-reading" und "machine-reading" (Hayles 2011; vgl. auch Hayles 2012), weil wir uns in einer digitalen Welt befinden. Diese Lesemodi betreffen nicht nur Wissenschaftler, sondern alle. Sie sind aber besonders wichtig für uns, weil wir uns die Forschungsmaterialien überwiegend über Lektüre die Art und Weise ist, wie wir (und unsere Studenten) mit dem Forschungsmaterial in Kontakt kommen. Daraus ergibt sich eine der drei Säulen unseres Projekts: die Untersuchung der Anwednungen von Digital Humanities in der Lehrpraxis.

"Digital Humanities": Was verstehen wir darunter?

 
„Digital Humanities“ sind Institutionen (Universitätsabteilungen, Lehrstühle, Forschungseinrichtungen), die sich der Entwicklung von  digitalen Werkzeugen und der Herstellung Materialien und Werkzeugen unter Zuhilfenahme computergestützter Techniken widmen.
 
Der Begriff bezeichnet ferner Methoden und Techniken, um die Forschungsmaterialien von Geisteswissenschaften in eine digitale Form zu bringen, sie in dieser Form zugänglich sowie anwendbar zu machen und die dabei gewonnen Ergebnisse auch graphisch zu präsentieren ("computing humanities"; vgl. Svennson 2010, §14 mit Hinweis auf die Typologie von McPherson).

"Digital Humanities" bedeutet zudemm die Entwicklung neuer Formen von (Zusammen)arbeit zwischen Wissenschaftlern und Publikation von Ergebnissen in Netzwerken ("multimodal humanities"; vgl. Svennson 2010, §14–6). In unserem Projekt ist diese Entwicklung insofern  wichtig, als wir uns bemühen, solche Netzwerke und Interaktionsformen voranzutreiben.
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