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Sektion II: Digitale Materialien und einige grundlegende epistemische Probleme

Ein Blick in die Liste der digitalen Projekte in "The Digital Classicist Wiki" genügt, um zu erkennen, dass in den letzten zwei Jahrzehnten mehrere mittel- und langfristige Projekte die digitalen Forschungsmaterialien und -werkzeuge der Klassischen Philologie und der Alten Geschichte voranzutreiben versuchen. Diese Projekte  befinden sich in verschiedenen Entwicklungsphasen: Sie stellen sowohl experimentelle als auch voll ausgereifte Produkte (digitale Editionen, Datenbanken, Suchmaschinen) zur Verfügung.
 
Trotz dieser neuen Möglichkeiten lässt sich jedoch eine immer stärker werdende Diskrepanz in der Zusammenarbeit zwischen Altertumswissenschaftlern und den Digital Humanities feststellen. Dieser Umstand hängt zum Teil daran, dass auf der altertumswissenschaftlichen Seite häufig automatische Zweifel an der Angemessenheit der neuen Instrumente bestehen und andererseits die Digital Humanities die Weiterentwicklung  neuer Werkzeuge ohne Kooperation mit den Fachdisziplinen vorantreiben. Eine effektive Zusammenarbeit beider Bereiche ist im Moment nicht gegeben.
 
Aufgrund dieser Tatsache beabsichtigt das Projekt, in drei Arbeitstagungen Wissenschaftler aus beiden Disziplinen zusammenzubringen, um die Reflexion über die methodologischen Grundlagen voranzutreiben, Fragen, die sich bei Ihrer Anwendung stellen, zu diskutieren und neue Formen der Kooperation auszuloten.
 
In diesem Zusammenhang erachten wir vier Teilbereiche als essentielle Grundlagen, die wir sowohl auf theoretischer Ebene diskutieren als auch im Hinblick auf praktischen Anwendungen erörtern möchten.
 
  1. Digitale Produkte haben in der Regel eine der drei Formen: Datenbanken, Editionen (semi-strukturierten Daten) oder Suchmaschinen. Es ist wesentlich, den Unterschied zwischen diesen drei Formen genau zu verstehen. Darüber hinaus ist es wichtig, zu begreifen, wie bestimmte Interpretationsentscheidungen eine tragende Rolle bei der Gestaltung jeder dieser drei Formen spielen, wie das Zusammenspiel zwischen Darstellung von Fakten und Interpretation jeweils funktioniert.
  2. Die Vorbereitung von digitalen Corpora als semi-strukturierte Daten verlangt ihre Annotation (Metadaten). Diese Annotation ist schon eine Art erster Kommentierung: Entscheidungen müssen getroffen werden, Parameter des Materials müssen isoliert und eindeutig beschrieben werden. Auf ähnliche Weise verlangt die Herstellung von Datenbanken die Anwendung mehrere Interpretationsansätze, damit das Material adäquat bezüglich der jeweiligen Parameter in aufeinander bezogenen Feldern strukturiert wird. Wie verläuft der Prozess der Annotation bzw. der Strukturierung der Daten? Wie werden diese Entscheidungen getroffen? Mit welchen Kriterien? Wie viel Informationen können in Form von Metadaten angegeben werden? Inwiefern es möglich, reichhaltige Annotation (z.B. mit linguistischen Metadaten) auf mechanische Art zu generieren?
  3. Die Verlinkung von Daten aus unterschiedlichen Quellen und Corpora tendiert dazu, bestimmte "Informationsstücken" zu isolieren, sie eindeutig zu bezeichnen und sie mit einander zu verbinden. Bei diesem Prozess ist es notwendig, dass zentrale Interpretationskategorien, wie die Gattung, berücksichtigt werden können. Wie können / sollen solche Kategorien bei der Verlinkung von Daten ausgedrückt werden? Sind sie vielleicht Parameter, die nur bei der Interpretation aber nicht bei der Gestaltung der Corpora und ihrer Verlinkung berücksichtigt werden können?
  4. Bei der Verlinkung von textlichen und nicht-textlichen Daten ist die Rolle der Annotation von nicht-textlichen Daten entscheidend. Lohnt es sich eine solche Verlinkung zu unternehmen? Wie kann diese Verlinkung verlaufen? Wie wichtig ist die Rolle der Interpretation bei diesem Prozess?
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